Ausbildung

DGB-Ausbildungsreport 2016

01.09.2016

Die duale Ausbildung in Deutschland genießt als Vorzeigemodell des deutschen Bildungssystems internationale Anerkennung. Dennoch braucht das System eine Reform, um weiter attraktiv zu bleiben. 41.000 Ausbildungsstellen sind 2015 unbesetzt geblieben, der höchste Stand seit 1996. Nur noch jeder fünfte Betrieb bildet aus, gleichzeitig gingen über 282.000 bei der Bundesagentur für Arbeit gemeldete Bewerber_innen für einen Ausbildungsplatz leer aus – und über 270.000 stecken im Übergangssystem zwischen Schule und Ausbildung fest.

 
DGB-Ausbildungsreport 2016

Handlungsbedarf besteht vor allem auf Seiten der Wirtschaft. Sie muss eine gute Ausbildung für alle ausbildungswilligen Jugendlichen gewährleisten. Unbesetzte Ausbildungsstellen gibt es meist in jenen Branchen, die nicht gerade bekannt sind für eine gute Ausbildungsqualität, also im Hotel- und Gaststättengewerbe sowie im Lebensmittelhandwerk.

Gemeinsam haben sich Gewerkschaften, Politik und Wirtschaft in der Allianz für Aus- und Weiterbildung zum Ziel gesetzt, der Schieflage auf dem Ausbildungsmarkt entgegenzuwirken. Durch Vereinbarungen für eine verbesserte Ausbildungsqualität soll die duale Ausbildung attraktiver werden. Die ausbildungsbegleitenden Hilfen werden ausgebaut: Mit der neugeschaffenen assistierten Ausbildung erhalten Jugendliche mit besonderem Förderbedarf und ausbildende Betriebe notwendige Unterstützung. Es kommt darauf an, diese Hilfen weiter zu bewerben und auszubauen. Die von der Wirtschaft für 2015 zugesagten 20.000 zusätzlichen Ausbildungsplätze wurden mit gerade mal 7.300 nicht erreicht. Hier sind deutlich mehr Anstrengungen der Arbeitgeber nötig.

Ein weiterer wichtiger Schritt zur Modernisierung der dualen Ausbildung ist die Novellierung des Berufsbildungsgesetzes, dass gemäß Koalitionsvertrag entsprechend geprüft und angepasst werden sollte. Der im März 2016 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung vorgelegte Evaluationsbericht klammert jedoch die Lage am Ausbildungsmarkt aus und hat wichtige Bereiche des Gesetzes, etwa Vertragsgestaltung oder Qualitätsfragen, nicht eingehend behandelt. Gerade für diese Bereiche brauchen wir dringend neue Rahmenregelungen, um eine bessere Qualität der Ausbildung zu befördern. Für uns ist deshalb die Novelle ein Muss. Das Ministerium sieht jedoch bislang leider keinen Änderungsbedarf.

Dass es nach wie vor enormen Handlungsbedarf gibt, zeigt der Ausbildungsreport der DGB-Jugend, der seit nunmehr elf Jahren seinen Beitrag zur Qualität am Ausbildungsmarkt leistet – und der erhebliche Mängel aufdeckt. Befragt wurden 13.603 Auszubildende aus den laut Bundesinstitut für Berufsbildung 25 meistfrequentierten Ausbildungsberufen im dualen System. Auch wenn ein Großteil der Auszubildenden mit seiner Ausbildung zufrieden ist: Es gibt immense Probleme im Hotel- und Gaststättenbereich, im Lebensmittelhandwerk, im zahnmedizinischen Bereich sowie bei Maler_innen und Lackierer_innen. Kennzeichen sind lange Arbeitszeiten, häufige Überstunden, eine mangelnde Ausbildungsqualität und eine unterdurchschnittliche Vergütung. Folglich werden diese Berufe als immer unattraktiver angesehen.

Themenschwerpunkt dieses Ausbildungsreports sind die psychischen Belastungen in der Ausbildung, die – wie der Report zeigt – leider keine Ausnahmen sind. Um nur einige Zahlen zu nennen: Etwa die Hälfte (50,8 Prozent) der Auszubildenden fühlt sich durch Arbeitsanforderungen oder schlechte Arbeitsbedingungen stark belastet, Probleme mit Kolleg_innen oder Vorgesetzten bemängelt jeder achte Auszubildende. Insgesamt ein Fünftel der Auszubildenden klagt über einen hohen Leistungs- und Zeitdruck. Es gibt jedoch deutliche Branchenunterschiede: In den fünf am schlechtesten bewerteten Berufen klagt fast jeder Dritte über Leistungs- und Zeitdruck (29,1 Prozent, vgl. Kapitel 2.2).

Es ist offensichtlich, dass die bestehenden gesetzlichen Regeln für die Gestaltung der beruflichen Ausbildung nicht ausreichen. Für eine Erhöhung der Ausbildungsqualität ist eine Reform des Berufsbildungsgesetzes
unabdingbar. Wir erwarten, dass die Koalition dieses im Koalitionsvertrag enthaltene Vorhaben nicht weiter stiefmütterlich behandelt, sondern endlich auf den Weg bringt.

Um dem guten Ruf des dualen Ausbildungssystems weiterhin gerecht zu werden, muss für möglichst alle ausbildungsinteressierten Jugendlichen eine Teilhabe gewährleistet sein. Wir brauchen eine qualitativ hochwertige Ausbildung in allen Branchen, die Lernen ermöglicht und psychische Belastungen und Stress vermeidet.

Elke Hannack
Stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes

Florian Haggenmiller
Bundesjugendsekretär des Deutschen Gewerkschaftsbundes

 

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