Internationale Gewerkschaftsbund

5. Weltkongress des IGB und der „schlechteste Boss der Welt“

03.01.2023

Der Internationale Gewerkschaftsbund, kurz: IGB (im Englischen ITUC für International Trade Union Congress), führte seine fünfte Konferenz mit fast eintausend Gewerkschafter*innen aus 122 Ländern in Melbourne, Australien durch. Knapp über die Hälfte der Delegierten war weiblich. Der Kongress verabschiedete u. a. Resolutionen zur aktuellen Situation im Iran, zum Kampf gegen die extreme Rechte und zur russischen Invasion in der Ukraine. Im Rahmen des Kongresses fand auch eine Umfrage statt: Wer ist der schlechteste Boss der Welt?

Die scheidende IGB-Generalsekretärin, Sharon Burrow, sagte:

 

 

„Die weltweite Pandemie zeigte uns den größten Akt menschlicher Solidarität, den die Welt je gesehen hat, als Arbeiter*innen diese Welt am Laufen hielten. Sie zeigte uns auch die riesige Gier von Unternehmen als skrupellose CEOs aus der Pandemie Profit schlugen, Arbeitsverträge zerrissen und so die Defizite der (gesetzlichen) Regelungen und Vorgaben für Firmen zur Schau stellten. Die zehn reichsten Leute haben ihr Vermögen in der Pandemie verdoppelt und die zehn größten Firmen der Welt machten 2021 Profite um die 360 Milliarden Dollar.“*

IGB-Generalsekretärin, Sharon Burrow

„Arbeitende Menschen und ihre Gewerkschaften fordern einen neuen sozialen Vertrag zwischen Regierungen, Beschäftigten und Arbeitgebern mit sozialer Sicherheit und Schutz für Jobs, Entlohnung, Rechte, Gleichbehandlung und Inklusion. Lasst uns aufräumen mit den schlechten Bossen dieser Welt und diese Unternehmensraubtiere stoppen! Mit neuer nationaler und internationaler Gesetzgebung werden wir diese Firmen zur Rechenschaft ziehen. Die Gewerkschaften werden die ILO (Internationale Arbeitsorganisation der UN, International Labour Organisation) dabei unterstützen, eine neue Konvention ins Leben zu rufen, um Standards und bisherige Regelungslücken in globalen Lieferketten anzugehen.“ (Burrow)

Als Burrows Nachfolger wurde Luca Vasentini*² gewählt. Er führt den IGB nun gemeinsam mit den stellvertretenden Generalsekretär*innen Eric Mwezi Manzi, Jordania Urena Lora und Owen Tudor. Als Präsident des IGB wählten die Delegierten Akiko Gono sowie Cathy Feingold und Antonia Lisboa zu seiner Stellvertretung.

Sechs Firmenchefs und -chefinnen schafften es dabei in die enge Auswahl. Ihre Firmen verfolgen Geschäftsmodelle, die Beschäftigte mit niedrigen Entlohnung ausbeuten und unsichere Jobs bieten, die das Menschenrecht (!), Gewerkschaften zu bilden oder sich ihnen anzuschließen, um kollektiv Arbeitsbedingungen zu regeln, negieren. Diese Chefetagen nutzten sowohl die Pandemie als auch die Krise steigender Lebenshaltungskosten zum Ausbau ihrer Profite, anstatt sich verantwortungsbewusst gegenüber ihren Belegschaften zu verhalten.

Stephen Cotton, Generalsekretär der ITF (Internationale Transportarbeiterföderation), sagte mit Blick auf den „Gewinner“ der Umfrage: „Erst wurde [Peter] Hebblethwaite Britanniens meist gehasster Chef, indem er 786 Seeleute illegal kündigte. Dann wurde er im Mai vom Kongress der Europäischen Transportarbeiterföderation zum schlechtesten Arbeitgeber Europas gewählt. Danach wurde er von einem Diskussionspanel auf einer Industrieveranstaltung ausgeladen, nachdem der Vorsitzende des US House Committee für Transport und Infrastruktur einen vernichtenden Brief verfasste und verlangte, dass er [Hebblethwaite] von der Diskussionsteilnehmerliste gestrichen wird.“ Und weiter: seine Schmach erreiche nun mit der Wahl zum schlechtesten Boss der Welt einen internationalen Höhepunkt.

„CEOs in der Transportindustrie, auch Ihr steht unter Beobachtung! Wenn Ihr es nicht schafft, Arbeitsrechte einzuhalten und Beschäftigte mit angemessenen Jobs, sicheren Arbeitsbedingungen, Respekt und Würde zu begegnen, wird die weltweite Gewerkschaftsbewegung Euch zur Rechenschaft ziehen! Wir tun das mit nationalen und internationalen Gesetzgebungen, dem Einfluss von Beschäftigtenvertretern*innen auf Pensionfonds, um das Prinzip von Arbeits- und Menschenrechten aufrechtzuerhalten. Um den Wandel einzufordern organisieren wir Transportarbeiter*innen!“ (Cotton)

Hebblethwaites Firma, die P&O Ferries, feuerte im März wie erwähnt illegalerweise 786 (in Worten: siebenhundertsechsundachtzig) Seeleute und zwar mittels eines voraufgezeichneten Zoom-Calls (also per Video, Ansprache aufgezeichnet und abgespielt!). Das ist ein Bruch des Groß Britannischen Gesetzes, welches Beteiligung und Kündigungsschreiben verlangt. Hebblethwaite gab schamlos zu, das Gesetz gebrochen zu haben, als ihn Vertreter*innen des Gesetzgebers darauf ansprachen. Schlimmer noch: er sagte, er würde es wieder so tun. Aktuell laufen noch Ermittlungen gegen ihn wegen einer Insolvenz. Gut möglich, dass er vor Gericht landet.

Die Top 6 der schlechtesten Bosse sind (Name, Positon/ Bezeichnung, Firma)

  • Peter Hebblethwaite, CEO, P&O Ferries
  • Jeff Bezos, Executive Chairman, Amazon
  • Alan, Joyce, CEO, Qantas
  • Ahmed bin Saeed Al Maktoum, CEO, Emirates Airline and Group
  • Howard Schultz, CEO, Starbucks
  • Gina Rinehart, Executive Chairman, Hancock Prospecting

Auch weitere Kandidatinnen und Kandidaten haben es in die engere Auswahl geschafft. Eine umfangreichere Liste wird im englischsprachigen Original des Artikels vom IGB verlinkt.

„Gewonnen“ haben die Wahl übrigens auch schon der diesjährig zweitplatzierte Jeff Bezos im Jahr 2014 und Ryan Air’s Michael O’Leary 2018.

*Alle wörtlichen Zitate sind frei aus dem Englischen übersetzt, genau wie der Rest des Textes

*² Anmerkung der Redaktion: Luca Vasentini geriet kurze Zeit später vor allem außerhalb des deutschsprachigen Raums in die Schlagzeilen. Dazu äußert sich Frank Hoffer in der aktuellen Ausgabe der Global Labour Column (englischsprachig). Der IGB hat den Generalsekretär vorübergehend suspendiert (englischsprachiger Link).