Madsack zahlt Magerlohn für freie Regional-JournalistInnen

18.06.2017

Hannover, 10. Juni 2017

Wer in der Region Hannover bei einer Tageszeitung arbeiten will, kann sich nur bei bei Madsack andienen. Der Medienkonzern hat hier das Monopol. Madsack braucht verlässliche Freie, damit es in den Redaktionen noch rund läuft, denn die Zahl der festangestellten RedakteurInnen wurde seit 2010 erheblich reduziert. Doch der Lohn für Freie ist mager: Nur etwa 2000 Euro brutto Honorar im Monat erzielen Dauer-Pauschalisten, die fast täglich wie festangestellte Redakteure für Print- und Online-Ausgaben arbeiten und fest im Dienstplan eingeplant sind. Andere, die nur tageweise eingesetzt werden, müssen sich mit weniger begnügen, manche mit 500 Euro brutto. Selbst die "Spitzenverdiener" geben an, dass sie ihren Lebensbedarf mit ihrer Arbeit als freie TageszeitungsjournalistInnen nicht bestreiten können und ein zweites Standbein brauchen, meist PR. Denn freier Journalist sein heißt: Sich selbst kümmern müssen um  Krankenversicherung, Pflegeversicherung und Rentenversicherung.  Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Arbeitslosenversicherung und Schutz vor Erwerbsunfähigkeit gibt es nicht. Und im täglichen Freien-Job bei Madsack gibt's auch keine Entschädigung für Fahrtkosten oder Kameraeinsatz.

Das ist das Ergebnis einer Befragung von freien Journalist*innen in der Region Hannover, die die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten Union Niedersachsen-Bremen von Ende 2016 bis Frühjahr 2017 durchgeführt hat. 

Alle Befragten gaben an, dass sie für Tagespauschalen arbeiten. Seit 2011 zahle Madsack fast nur noch Pauschalen an Freie, die regelmäßig regionale Nachrichten oder Anzeigen begleitende Texte und Fotos zuliefern. 90, 110 und 120 Euro für einen Arbeitstag wurden genannt, der selten acht, häufig zehn und mehr Stunden habe. Altgediente Freie dürften sonntags und auch mal in der Woche Redakteure ersetzen. Nur für den Redakteursersatz an Sonntagen wurde vor kurzem die Honorar-Pauschale auf 160 Euro brutto erhöht.

Mit den Pauschalen seien Texte und alle mitgelieferten Fotos abgegolten. Das habe sich das Unternehmen von den Freien, deren Auftragsverhältnis nur mündlich vereinbart ist, schriftlich zusichern lassen. Vor 2011 habe Madsack Artikel und Fotos noch einzeln honoriert. Durch die pauschale Bezahlung, die einseitig durch den Verlag festgesetzt worden sei, seien die Honorare für Texter und freie Fotografen erheblich um bis zu 20 Prozent gesunken.

Zum Vergleich: Festangestellte Redakteur*innen erhalten, falls sie noch nach Tarif bezahlt werden, für eine Vollzeitstelle monatlich zwischen 3 200 (erste Berufsjahre) und 4700 Euro brutto (höchste Stufe nach 15 Jahren). Das macht bei sozialer Absicherung und Altersvorsorge sowie Urlaubs- und Weihnachtsgeld inklusive zwischen 43 000 und 64 000 Euro brutto im Jahr.

Wie die Freien berichten, verfügen Redaktionsleiter oder Koordinatoren über ein festgelegtes Budget. Wenn sie einer freien Mitarbeiterin mehr Tagesdienste zugestehen, bekomme ein anderer weniger. Manchmal würden nur halbe Tage mit entsprechender Halbierung der Pauschale vergeben, oder sogar nur Drittel-Tageseinsätze mit 30 bis 40 Euro brutto. 

Der Bruttoverdienst freier Journalisten ist nicht vergleichbar mit dem Brutto von Festangestellten. Menschen, die für den gesetzlichen Mindestlohn von derzeit 8,84 Euro brutto pro Stunde arbeiten müssen, kommen zwar nur auf 1600 Euro im Monat. Sie sind aber kranken- und sozialversichert und erhalten ihren Lohn auch während der Urlaubszeit weitergezahlt. Wenn ein freier Journalist krank wird, gibt's vom Auftraggeber nichts. Krank werden darf man nicht, so eine Madsack-Freie. Und Urlaub machen eigentlich auch nicht, denn für Freie kommt dann nichts in die Kasse.

Von ihrem mageren Einkommen führen freie JournalistInnen Beiträge für ihre Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung an die Künstler-Sozialkasse ab. Selbst wenn man auf Krankentagegeld verzichte, lägen die Beiträge bei über 2000 Euro im Jahr, so eine der befragten Dauer-Pauschalistinnen. Eine Absicherung für den Fall der Erwerbsunfähigkeit und eine Berufshaftpflichtversicherung sollten Freie auch haben, was zusätzliche Kosten verursacht.

Damit wird klar: Selbst die guten Verdiener unter den Madsack-Freien mit etwa 20 000 Euro Brutto-Jahreseinkommen rutschen durch die Kosten zur Absicherung ihrer Existenz auf Mindestlohn-Niveau. Noch mehr arbeiten für den Verlag ist aber nicht drin. Wer auf Dauer an allen Arbeitstagen eines Monats für Madsack im Einsatz wäre, läuft Gefahr, nicht mehr als Selbstständiger zu gelten. Die Freien würden deshalb selbst darauf achten, nicht "zuviel" zu arbeiten, um nicht in den Verdacht der Scheinselbstständigkeit zu geraten. Ein Dilemma, von dem das Unternehmen profitiert.

Wer nicht zu den Dauer-Pauschalisten gehört und nur tageweise zum Zug kommt, hat das Problem nicht, kann aber einkommensmäßig auch schnell bei Hartz IV landen - trotz Hochschulstudium oder Fachausbildung.

 Mit den Billiglöhnen drohe freien Journalisten Altersarmut, stellte die dju-Bundesgeschäftsführerin Cornelia Haß bereits im Jahr 2012 gegenüber SpiegelOnline fest. Die Lage der Freien ist seitdem nicht besser geworden. Tagespauschalen von etwa 100 Euro brutto, die den Lebensbedarf nicht abdecken, sind laut der freien Journalistin und Bloggerin Bettina Blass bundesweit verbreitet.

Die dju Niedersachsen-Bremen hat die Befragung durchgeführt, um sich ein detailliertes Bild von der Berufs- und Lebenssituation freier Zeitungsjournalisten im regionalen Raum zu verschaffen. Dreiviertel aller dju-Mitglieder sind inzwischen Freie. Die Zahl der festangestellten Redaktions-Mitglieder in Zeitungsunternehmen sinkt demgegenüber. Dies hat auch Konsequenzen für die Tarifverhandlungen, die sich verstärkt mit einer Verbesserung der Lage freier JournalistInnen befassen müssen. 

Die Umfrage zur Situation wird fortgesetzt und auf die Gebiete Nordniedersachsen und Bremen ausgedehnt.

 

Annette Rose

dju-Landessprecherin Niedersachsen-Bremen