dju-Appell am Tag der Pressefreiheit: Bedrohung darf nicht zum Joballtag werden
Tätliche Angriffe, Bedrohungen und Anfeindungen – immer mehr Journalistinnen und Journalisten erleben Gewalt bei der Ausübung ihrer Arbeit. “Die Pressefreiheit ist auch in Deutschland zunehmend bedroht”, kritisiert die Bundesvorsitzende der Deutschen Journalistinnen- und Journalistenunion (dju) in ver.di, Tina Groll, zum Internationalen Tag der Pressefreiheit.
Die dju in ver.di verzeichnet mit großer Sorge eine wachsende Anzahl der Angriffe, die die Gewerkschaft für Medienschaffende in einem internen Monitoring festhält. So erfasst der dju-Geschäftsführer Jörg Reichel vom Landesbezirk Berlin-Brandenburg für 2024 bisher bundesweit 30 tätliche Angriffe auf Journalistinnen und Journalisten. Darunter am 20. April im niedersächsischen Unterlüß (Landkreis Celle). Dort wurde beim Landesparteitag der AFD ein Journalist von einem Politiker der AFD attackiert.
2023
Reichel hält die Attacken schon seit Jahren für ein Monitoring fest und steht in engem Austausch unter anderem mit Reporter ohne Grenzen. Die von der dju erfassten Zahlen decken sich mit den Daten einer Studie des Europäischen Zentrums für Presse- und Medienfreiheit. Demnach sind die in dieser Untersuchung dokumentierten Fälle von körperlichen Angriffen auf Journalistinnen und Journalisten in Deutschland von 56 im Jahr 2022 auf 69 im Jahr 2023 gestiegen.
Berlin führte dabei das Ranking an. In der Hauptstadt gab es mit 25 Fällen die meisten Attacken auf Medienschaffende. In Niedersachsen wurden 2023 vier Angriffe auf Journalist*innen gezählt.
Besonders gefährdet sind Reporterinnen und Reporter auf Demonstrationen. Mehr als drei Viertel der dokumentierten Angriffe ereigneten sich auf Kundgebungen, über die Journalistinnen und Journalisten berichteten. Am häufigsten waren Tritte und Schläge, auch mit Gegenständen wie Fackeln oder Trommelklöppeln. Als Angriff gewertet wurden diese, sofern sie Körper oder Ausrüstung von Journalistinnen und Journalisten tatsächlich getroffen haben. Medienschaffenden wurde auch Ausrüstung entrissen, sie wurden zu Boden gerissen, mit Sand und Steinen beworfen oder mit Fäkalien beschmiert.
„Dass viele Kolleginnen und Kollegen solche Reportereinsätze nur noch unter Schutz von Security ausüben können, ist nicht hinnehmbar”, sagt die dju-Vorsitzende. Neben einen besseren Schutz durch die Polizei fordert die dju in ver.di vor allem die Arbeitgeber auf, dem Kodex für Medienhäuser zum Schutz von Journalist*innen (schutzkodex.de) beizutreten und sich mehr für die Sicherheit ihrer festen und freien Mitarbeitenden zu engagieren.
„Medienunternehmen sollten jetzt in solche Initiativen investieren und nicht Gelder kürzen”, sagt Groll. Zu begrüßen sei es daher, dass der Medienverband der Freien Presse zum 75. Geburtstag des Grundgesetzes unter dem Hashtag #PressefreiheitIstDeineFreiheit zum Schutz der Pressefreiheit aufrufe.
„Es sollte aber nicht nur bei Lippenbekenntnissen bleiben. Die Verteidigung der Pressefreiheit ist auch die Verteidigung der Demokratie und hier stehen die Arbeitgeber in einer ganz besonderen Verantwortung”, so Groll. Das gelte für die Pressefreiheit im Inneren wie weltweit. „Mit großer Sorge blicken wir auch innerhalb der europäischen und internationalen Journalismusverbände auf Verschärfung von gesetzlichen Rahmenbedingungen.
Der Verein actsafer (academy for contemporary training in safety & security abroad, on frontlines and in everyday reporting) bietet angesichts der in diesem Jahr stattfindenden Wahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen kostenlose Sicherheitstrainings für Journalistinnen und Journalisten in diesen Bundesländern an, die von der dju in ver.di und CeMAS (gemeinnützige Center für Monitoring, Analyse und Strategie) unterstützt werden. Den Teilnehmerinnen und Teilnehmern wird in den anderthalbtägigen Kursen beigebracht, wie sie sicher von Demonstrationen und Kundgebungen berichten können.
Blockaden
Seit Anfang 2024 gibt es eine neue Form des Angriffs auf die Pressefreiheit. Reporter ohne Grenzen dokumentierte fünf Fälle, bei denen in nächtlichen Aktionen die Zufahrten von Presseverteilzentren und Druckereien unter anderem mit Traktoren zugestellt wurden, um die Auslieferung von Zeitungen zu verhindern.
Im Februar blockierten Bäuerinnen und Bauern die Druckerei der Nordsee-Zeitung in Bremerhaven mit Misthaufen und Traktoren. Die etwa 50 Protestierenden forderten ein Gespräch mit dem Verleger ein, behinderten dabei aber auch die Auslieferung der Zeitung. Nach nächtlichen Verhandlungen mit der Polizei wurde die Versammlung beendet, nachdem Mitarbeitende der Zeitung ein Gespräch mit der Führungsebene in Aussicht gestellt hatten. Die Blockierer nannten Unzufriedenheit mit der Berichterstattung über die zurückliegenden Protestaktionen als Grund für ihre Aktion. Von ähnlichen Blockaden betroffen waren auch die Allgäuer Zeitung, der Schwarzwälder Bote und die Springer-Druckerei in Ahrensburg sowie ein Druckzentrum bei Villingen-Schwenningen in Baden- Württemberg.