dju-Tarifkommission lehnt Tarif 2018 ab: Kein fauler Kompromiss. Und nun?

08.11.2018
Klaus Schrage
Kein Reallohnzuwachs

Lieber ein gut begründetes Nein als ein fauler Kompromiss, sagt der dju-Tarifkommissionsvorsitzende Klaus Schrage.

Sein Kommentar zum Geschehen und wie es weitergehen könnte:

Die Tarifkommission der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di wagt diese Haltung. Wir haben das letzte Tarifangebot der im Bundesverband der Deutschen Zeitungsverleger (BDZV) organisierten Medienhäuser abgelehnt. Denn wir wollen mehr!

„Aber wie, bitteschön, soll das gehen?“, lautet eine häufige Gegenfrage von Kolleginnen und Kollegen. Die dju könne aus eigener Kraft keine flächendeckenden Streiks hinbekommen. Die Tarifrunde sei doch eigentlich abgehakt. Was gäbe es denn noch zu fordern?

Auf solche Zweifel gibt es eine Antwort: Entdecke die Möglichkeiten! Wir sind nicht in der Friedenspflicht. Und dies verschafft uns Chancen, unser ganz eigenes Profil zu zeigen und zu schärfen. In Verlagen, in denen es wegen angekündigter Tarifflucht rumort, können wir zum Arbeitskampf mobilisieren. Wir können unsere streikenden Kolleginnen und Kollegen der Druckindustrie unmittelbar unterstützen, ebenfalls zum Streik aufrufen und eigene Forderungen anbringen.

Wir können aber noch mehr: Die offene Situation erlaubt es uns, frei zu denken. Diskutieren wir über Forderungen in künftigen Tarifrunden. Ist es nicht an der Zeit für Schichtzuschläge für Zeitungsjournalisten_innen, wie sie Drucker oder Verlagsangestellte kennen? Wäre es nicht richtig, Belastungen durch crossmediale Arbeit durch Zusatzurlaub auszugleichen? Was wäre falsch, wenn wir ein Recht auf selbst bestimmte Fortbildung fordern? Was, wenn wir uns dafür einsetzen, dass befristete Teilzeit mit einem Rückkehrrecht in die Vollzeit wirklich genutzt wird?

Ist die tatsächliche Einbindung der Onliner in den Tarif nicht überfällig? Müsste es nicht gelingen, jene Medienhäuser, welche von ihren Redakteure_innen die Arbeit in Sozialen Netzwerken verlangen, zu einem verbrieften Bekenntnis zu bringen, dass sie diese im Falle von Shitstorms oder anderen Bedrohungen ohne Wenn und Aber unterstützen?

Und wenden wir uns an die Politik: Wir könnten fordern, dass tariflose Betriebe mindestens das eineinhalbfache der Differenz zum Tarifentgelt an Staat oder Kommunen abführen müssen. Verlangen wir, dass auch betriebsratslose Unternehmen mit einer Abgabe belegt werden, dass das Gründen von Betriebsräten erleichtert und das Behindern von Betriebsratsarbeit schärfer bestraft wird. Werben wir bei Parteien dafür, dass tatsächlicher Qualitätsjournalismus, gerade auf der regionalen Ebene, finanziell unterstützt wird.

Das alles sind Ideen, aber es gilt eben: Die dju soll keine Tarifmaschine sein, die sich bloß um die wirtschaftlichen Belange ihrer Mitglieder kümmert. Wir sehen uns als Organisation, die sich für eine solidarische Gemeinschaft und für Demokratie in den Redaktionen einsetzt. Die sich nicht nur um Festangestellte kümmert, sondern um alle, die sich als Journalistinnen und Journalisten für eine aufgeschlossene und aufgeklärte Gesellschaft engagieren.

Das ist unsere Einladung: Wer Visionen hat, geht nicht zum Arzt. Sondern kommt zu uns. Werden wir stärker. Denn wir wollen mehr!

Zum Hintergrund:

Die Tarifkommission der Deutschen Journalistinnen und Journalisten Union (dju) in ver.di hat sich in ihrer Sitzung am 5. November 2018 abschließend mit dem letzten Verhandlungsangebot der Zeitungsverleger im BDZV befasst. Das sieht auf eine Laufzeit von 31 Monaten zwei Erhöhungen von 1,9 im Mai 2018 und 2,4 Prozent im Mai 2019 und Einmalzahlungen von 500 Euro in 2018 und 600 Euro im Jahr 2020 vor. Angesichts von bereits 2,0 Prozent Inflation in diesem Sommer war klar, das Angebot ist nicht mal ein Ausgleich für die Teuerungsrate der Tarifgehälter. Aktuell meldet das Statistische Bundesamt sogar 2,5 Prozent Preissteigerung für den Monat Oktober. Selbst die stärkeren Erhöhungen für Berufseinsteiger mit einer Mindesterhöhung von 135 Euro statt der linearen Erhöhung ab Mai 2018 stellen über die gesamte Laufzeit bis Ende Juli 2020 nur eine Erhöhung von 2,56 Prozent pro Jahr dar. Auch diese werden angesichts der steigenden Inflation wohl zu kaum spürbaren Einkommenssteigerungen führen.

Die dju-Tarifkommission hatte von Beginn an in dieser Tarifrunde eine klare Haltung: Diesmal muss mehr drin sein als bei den Tarifabschlüssen der letzten zwei Dekaden, in denen sich der Reallohnverlust fortgesetzt hat. Es war klar, dass ein solches Ergebnis nur mit Streiks und Hartnäckigkeit zu erreichen sein würde.

Mehr als 1000 Streikende zeigten in mehreren Streikwellen quer durch die Republik ihre Bereitschaft, für einen Abschluss zu kämpfen der dem erklärten Ziel nahekommt. Das Urabstimmungsergebnis von 90 Prozent für die Forderung von zweimal 2,8 Prozent für eine Laufzeit von maximal zwei Jahren und 150 Euro Mindesterhöhung für Berufseinsteiger hat die Verhandlungskommission darin bestärkt, Kurs auf Reallohnsteigerung zu halten. Gemessen daran hatten die Verhandler*innen bereits in der Nach vom 2./3. Juli eine Einigung mit den Verlegern abgelehnt und um eine Abstimmung unter den an der Urabstimmung Beteiligten über das aus ihrer Sicht unzureichende Verhandlungsergebnis gebeten. Die Mehrheit der Befragten bestätigten mit über 60 Prozent Ablehnung den zwischenzeitlich zwischen dem DJV und dem BDZV erzielten Abschluss als nicht annehmbar. Die dju-Tarifkommission hat sich am 5. November einstimmig diesem Mitgliedervotum angeschlossen.

„Für uns ist klar: Wir können den Kolleginnen und Kollegen, die für die längst überfällige Reallohnsteigerung gekämpft haben, kein Ergebnis zumuten, das das Ziel ihres Kampfes weit verfehlt. Die Mitglieder der dju in ver.di haben in zwei Abstimmungen klargemacht, dass wir nur einen aus unserer Sicht besseren Abschluss mit echten Reallohnsteigerungen akzeptieren werden. Dass der flächendeckende Arbeitskampf nicht von beiden Gewerkschaften weitergeführt worden ist, bedauern wir. Wir werden uns nun, wo sich die Gelegenheit bietet, für unsere Forderungen einsetzen. Denn wir wollen mehr für die Kolleginnen und Kollegen, die in den Redaktionen immer mehr leisten und damit ihren Beitrag zur Zukunft der Zeitungen leisten!“, erklärte der dju-Tarifkommissions-Vorsitzende Klaus Schrage.

Damit bleibt es dabei: Die dju in ver.di wird den von dem DJV mit dem BDZV inzwischen abgeschlossenen Tarifvertrag nicht nachzeichnen, sondern bleibt in einer offenen Tarifauseinandersetzung. Eine Friedenspflicht besteht damit für Zeitungsredaktionen nicht. Damit fordert die dju in ver.di auch weiterhin die in der Urabstimmung gesetzten Tarifziele gegenüber dem BDZV und wird und notfalls bis zu einer zufriedenstellenden Einigung auch streiken können.

Zur Erinnerung noch der Link auf die dju-Tarifinformation:

https://dju.verdi.de/ueber-uns/nachrichten/++co++e0d637dc-e26c-11e8-9359-525400ff2b0e