Presserechte auf Demos - die wichtigsten Infos

14.07.2023

Was dürfen JournalistInnen, PolizistInnen und Demo-TeilnehmerInnen?

Dr. Jasper Prigge ist Rechtsanwalt und Spezialist für IT- und Medienrecht. Er Autor des Buches „Versammlungsfreiheit – ein Praxisleitfaden“. Auf dem dju-Webinar "Presserechte auf Demos" hat er die wichtigsten Regeln dargestellt, Fragen der Kolleginnen und Kollegen beantwortet und praktische Tipps für ihre Arbeit als JournalistInnen und FotografInnen gegeben.  

 

- Muss ich mein Medium, für das ich unterwegs bin, preisgeben, wenn mich die Polizei fragt?

- Wie stark darf die Polizei Journalistinnen einschränken, Zugang verhindern, Bilder löschen, Equipment konfiszieren? 

- Wie kann sich ein/e JournalistIn gegen Anordnungen oder Maßnahmen der Polizei wehren?

- Muss die Polizei JournalistInnen schützen?

- Dürfen Demo-TeilnehmerInnen „Einspruch“ gegen die Anfertigung von Bildnissen einlegen?

- Was ist zu tun, wenn JournalistInnen Gewalt (Polizei, Demo-Teilnehmer) erfahren haben?

 - Wie kann man Beweise rechtssicher dokumentieren?

 

Polizisten haben das Recht abzuchecken, ob jemand JournalistIn ist. Nachweis am besten mit bundeseinheitlichem Presseausweis. Der Presseausweis ist nicht Voraussetzung, vereinfacht aber den Nachweis, da durch Vereinbarung zwischen Innenministerkonferenz und Presserat höhere Seriosität besteht.

Die Polizei darf zum Zweck der Prüfung, ob Journalisteneigenschaft vorliegt, auch fragen, wofür man tätig ist.

Auch eine Schülerzeitung ist ein Presseerzeugnis.

Pressefreiheit gibt keine Sonderrechte. Journalisten müssen sich im Rahmen der Gesetze bewegen, z. B. die Persönlichkeitsrechte anderer respektieren. Besondere Rechte nur, wenn gesetzlich vorgesehen, z.B. Zeugnisverweigerungsrecht.

Zugangsrecht: es gilt freier Zugang zu einer Versammlung. Der darf nicht willkürlich eingeschränkt werden, das heißt, es muss einen triftigen Grund für die Verweigerung geben

TIPP: Um Problemen vorzubeugen: vorab immer bei der Pressestelle der Polizei Teilnahme ankündigen und vorab erkunden, wer vor Ort was zu sagen hat erkunden

Vor Gefahrensituationen schützen: darf ich Helm tragen oder anderes Schutzmaterial? Die Frage ist dabei immer, ob man sich dem Zugriff der Polizei entziehen will. Auch diesbezüglich zur Vermeidung von Schwierigkeiten vorab Kontakt mit Pressestelle aufnehmen.

Fotografieren: Aufnahmen sind grundsätzlich zulässig

TIPP: Sinnvoll ist, als Presse erkennbar zu sein durch Presse-Armbinde. Kleider machen Leute: seriöser Auftritt erhöht die Durchsetzungsfähigkeit gegenüber der Polizei - psychologischer Effekt.

Immer ruhig bleiben

Nach dem Grund und der Rechtsgrundlage für ein Verbot fragen. Fragen, ob das eine Anweisung ist oder nur eine Bitte (Rahmen klären). Von welcher Gefahrenlage geht der Polizist/die Polizisten aus?

Wenn keine Antwort kommt, nach dem Vorgesetzten fragen    

Wichtig: äußerlich eine klare Trennlinie ziehen zu Demo-Teilnehmern.

Polizei hat die Aufgabe, Gefahrenlagen abzuräumen und sich ansonsten zurückzuhalten.

Die Polizei muss JournalistInnen vor Gefahren schützen, Behinderung durch andere, Sachbeschädigung und Angriffen von anderen.

Müssen Polizisten mich auch vor anderen Polizisten schützen?

Es gibt keinen Polizei-Kodex. Die Polizei ist zur Einhaltung der Gesetze verpflichtet.

In Berlin gab es Gespräche mit dem Polizeipräsidenten, wenn JournalistInnen nicht angemessen behandelt wurden. Das hat die Lage verbessert.

Wichtig: Aufarbeitung und Nachbereitung mit Hilfe der Gewerkschaft

TIPP: Polizisten nicht belehren, sondern durch Fragen herausfinden, welches Interesse die an einer Anweisung oder ihrem Verhalten haben

Die Polizei darf nicht allgemein auffordern, Bilder zu löschen. Erkunden, was die Sorge der Polizei ist, eigene Kontaktdaten angeben

Bei Beschlagnahme von Foto-Equipment

Variante 1: man ist Beschuldiger einer Straftat

Es muss eine Belehrung über die angebliche Straftat erfolgen

Personendaten angeben, und Beruf, sonst nichts weiter zur Sache sagen, um sich nicht selbst zu belasten. Widerspruch gegen die Beschlagnahme protokollieren lassen, damit ein Gericht über die Beschlagnahme nachträglich entscheidet. Ankündigung, die Beschlagnahmeanordnung überprüfen zu lassen.

Polizisten dürfen die Kamera nicht mitnehmen, die Speicherkarte reicht

Variante 2: man ist Zeuge einer Straftat

Polizei will das Material als Beweismittel. Als Journalist hat man ein Zeugnisverweigerungsrecht. Ob man davon Gebrauch macht, muss jeder für sich entscheiden. Gegen eine Beschlagnahme kann man Widerspruch einlegen. Ein Kollege berichtet, dass er nach einer Weigerung der Herausgabe von Polizisten zu Boden geworfen wurde und ein Verfahren wegen Widerstand gegen die Staatsgewalt bekam. Im Prozess wurde er freigesprochen.

TIPP: Wichtig ist, den Auftritt zu üben, um mehr Standing gegenüber der Polizei zu gewinnen. Wichtig ist freundliche Kommunikation.

Wie lange darf die Polizei beschlagnahmtes Beweismaterial (SD-Karten) behalten?

Nur so lange wie das Ermittlungsverfahren andauert.

Wehren gegen Maßnahmen der Polizei?

Um schriftliche Begründung der Maßnahme bitten, um diese rechtlich prüfen zu können.  

Sich auf keinen Fall körperlich wehren gegen Polizeimaßnahmen, keine Körperspannung erzeugen. Auf keinen Fall wehren und austeilen, auch wenn der Eingriff rechtswidrig war.

TIPP: Bei Eingriffen ist es gut, die Polizeikennzeichnungen zu kennen. Die kann man lernen und so den Eingriff auf bestimmte Beamte zurückführen. Es gibt Unterschiede nach Bundesländern.

Dürfen verdeckt arbeitende Beamte fotografiert werden? Fotografieren tendenziell schon, veröffentlichen nein. Verdeckt arbeitende Beamte müssen sich dem Versammlungsleiter zu erkennen geben, sonst agieren sie rechtswidrig (es hängt aber vom Bundesland ab).

Darf man einen Polizisten zum Zeigen des Dienstausweises auffordern?

Bringt im Zweifel nichts, Polizisten müssen dem nicht unbedingt nachkommen. In manchen Bundesländern gibt es aber Erlasse, die die Pflicht zur Vorlage des Dienstausweises regeln.

 

Verhalten gegenüber TeilnehmerInnen einer Demo

Fotografieren ist grundsätzlich erlaubt. Veröffentlichung der Fotos richtet sich nach den §§ 22, 23 und 33 Kunsturhebergesetz

Wenn jemand auf einem Foto erkennbar ist, braucht man die Zustimmung zur Veröffentlichung

Ausnahmen davon in § 23 Nr. 3 KunstUrhG geregelt

- Bildnisse aus den Bereichen der Zeitgeschichte (heute macht man keine Unterschiede mehr zwischen absoluter und relativer Person der Zeitgeschichte)

- Bilder, auf denen die Personen nur als Beiwerk neben einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit erscheinen;

- Bilder von Versammlungen, Aufzügen und ähnlichen Vorgängen, an denen die dargestellten Personen teilgenommen haben; wenn es erkennbar nur um die Versammlung geht

- Wenn zum Beispiel Barrikaden oder Gegenstände angezündet werden, ist das ein öffentlicher Vorgang, und die Veröffentlichung liegt im öffentlichen Interesse

 In anderen Fällen braucht man für die Veröffentlichung eine Einwilligung von Betroffenen, die man sich am besten schriftlich geben lässt. Ein schweigendes Einverständnis gibt es nicht. Es muss  aktiv sein.

Wie kann ich als Journalist meine Daten schützen?

Damit Anschrift und andere personenbezogene Daten nicht im Ermittlungsverfahren in Akten auftauchen und für Anwälte und Angeklagte einsehbar sind, sofort Kontakt mit der Staatsanwaltschaft aufnehmen, um die Daten aus der Akte nehmen zu lassen.

Frage eines Kollegen: Bei einer Demo notierte ein Polizist aus dem Personalausweis alle Daten, ist das rechtens?

Bei der Behörde nachfragen, warum er das gemacht hat, und was mit den Daten passiert.

 

Aufzeichnung Annette Rose