Urhebervertragsrecht– neue Regelungen ab 1. März 2017
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Valentin Döring, unser Spezialist für Urheberecht, hat in einem instruktives Papier die Neuerungen im Urhebervertragsrecht zusammengestellt und gibt mögliche Handlungsemphehlungen. Die Info gibt es im Anhang auch als pdf (2 Seiten zum Ausdrucken).
Zum 1. März 2017 ist das „Gesetz zur verbesserten Durchsetzung des Anspruchs der Urheber und ausübenden Künstler, abrufbar unter
in Kraft getreten. Hier ein Überblick, welche wesentlichen Änderungen und Handlungsempfehlungen sich hieraus für Euch ergeben. Vorneweg: Es bleibt dabei, dass die Urheberinnen und Urheber sowie die ausübenden Künstlerinnen und Künstler einen Anspruch auf angemessene Vergütung für die Nutzung ihrer Werke bzw. Darbietungen haben. Was angemessen ist, soll weiterhin durch die Branchenvertreterinnen und -vertreter mittels Tarifverträgen oder Gemeinsamen Vergütungsregeln (GVR) definiert werden. Wo das nicht der Fall ist, ist die Frage der Angemessenheit notwendigenfalls gerichtlich zu klären. Besonders hervorzuheben sind für die Kreativen folgende Gesetzesänderungen:
I. Was ist neu?
1. Auskunftsansprüche
Seit dem 1. März 2017 kann der Urheber von seinem Vertragspartner (§ 32 d Abs.1 UrhG) und zusätzlich vom Lizenznehmer des Vertragspartners (§ 32e UrhG) grundsätzlich einmal jährlich Auskunft und Rechenschaft über den erfolgten Nutzungsumfang sowie die hieraus gezogenen Erträge und Vorteile verlangen.
Festangestellte wie Freie haben also für jedes Werk und jede Darbietung nunmehr einen gesetzlichen Anspruch auf jährliche Auskunft und Rechnungslegung über Nutzungen nach dem 28. Februar 2017. Auskunft konnte bisher ausschließlich im Streitfall aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen abgeleitet und geltend gemacht werden.
Abgewichen werden darf von diesem Anspruch nur durch Vereinbarungen, die auf einer GVR oder einem Tarifvertrag beruhen. Gewerkschaften und andere Urheberverbände können also Grundlagen vereinbaren, die dann eine entsprechende Ausgestaltung im Einzelvertrag ermöglichen.
II. Was ist zu tun?
Von dem Recht sollte möglichst Gebrauch gemacht werden. Das jährliche Recht auf Auskunft und Rechnungslegung ist das echte Plus der Reform. Dem/der Einzelnen wird ermöglicht, die Höhe der gezahlten Vergütung mit den Erträgen und Vorteilen in Relation zu setzen. Wenn viele Auskünfte verlangen, wird der/die Einzelne geschützt. Von der Einzelabfrage zu jedem einzelnen Werk bis zur „Sammelabfrage“ aller Werke beim jeweiligen Verwerter ist (im Rahmen der Verhältnismäßigkeit) alles möglich. Deswegen: Vermerken, welche Werke wo genutzt werden (können) und jährlich Auskunft sowie Rechnungslegung verlangen.
Rechnungslegung heißt, der Verlag oder Verwerter muss belegen, was er mit unseren Produkten gemacht hat, und wie viel er dafür bekommen hat.
Dazu ergänzt Valentin Döring:
Im Urheberrechtskommentar Wandtke/Bullinger, 4. Auflage 2014, § 97, Rn. 47 heißt es:
Die Auskunft ist eine Wissenserklärung, die Rechnungslegung bedeutet die Erteilung einer übersichtlichen in sich verständlichen Zusammenstellung der Einnahmen und Ausgaben (§ 259 BGB). (…) Der Auskunftsberechtigte kann grundsätzlich alle Angaben verlangen, die notwendig sind, um seinen Schaden nach jeder der drei möglichen Berechungsarten (konkrete Schadensberechung einschließlich des entgangenen Gewinns, entgangene angemessene Lizenzgebühr, Herausgabe des Verletzergewinns) zu errechnen. (…) Der Auskunftsanspruch erstreckt sich grds. auch auf die Angaben, welche eine Nachprüfung der Rechnungslegung ermöglichen (BGH GRUR 1980, 227, 232 f. Bspw. ist bei unerlaubter Verbreitung von Vervielfältigungsstücken und anderen lizenzfähigen Gegenständen in der Regel ein Verzeichnis vorzulegen, das zeitlich gegliederte Angaben über Lieferpreise, Lieferorte und Liefermengen enthält, sowie, um eine Nachprüfung zu ermöglichen, Namen und Anschriften der Abnehmer (BGH GRUR 1980, 227, 233. Bei erkennbarer Unvollständigkeit besteht ein Anspruch auf Ergänzung;
Aufbauend auf die Namen und Anschriften der Abnehmer, kann man dann diesen gegenüber Auskunft nach §32e UrhG verlangen.
Wann genau ist das jährliche Auskunftsrecht möglich? Feste Termine? Einmal am 3. Februar, einmal am 31.12?
Das ist nicht geregelt. Da es ein Individualanspruch ist, kann das grundsätzlich jede*r so handhaben, wie sie/er das will. Zeitpunkt und Werk kann grundsätzlich die/der Urheber*in wählen. In 32d Abs. 2 sind Ausschlusstatbestände geregelt. Nach Ziffer 1 ist der Anspruch ausgeschlossen, bei „lediglich nachrangigen Werken“. Dabei gehen wir davon aus, dass einzelne journalistische Beiträge und einzelne Fotos nicht nachrangig sind. Dass das nicht ausgenommen ist, darum haben wir gemeinsam mit dem DJV intensiv und heftig gekämpft.
Ziffer 2 stellt das Kriterium der Verhältnismäßigkeit auf. Dabei ist davon auszugehen, dass die Frage der Verhältnismäßigkeit durch die Gerichte wird geklärt werden müssen. Dabei wird es voraussichtlich eine Rolle spielen, wie viele Werke, mit welchem wirtschaftlichen Nutzwert, in welchem Zeitraum, auf welcher vertraglichen Basis.
Alle Beiträge einmal jährlich ist sicher nicht unverhältnismäßig. Quartalsweise, monatlich, wöchentlich oder täglich, geregelt ist das nicht.
Valentin Döring: "Mein juristisches Bauchgefühl sagt mir, wer täglich zehn Artikel liefert, es in Richtung Unverhältnismäßigkeit geht, wenn er/sie jeden Artikel einzeln, zu unterschiedlichen Zeitpunkten beauskunftet haben will. Irgendwo zwischen Jährlich/alle und tagesbezogen jeden einzeln liegt dann die Verhältnismäßigkeit. Für wichtig halte ich es, dass das jede*r einzeln entscheidet. Uns hilft es, wenn das tatsächlich individuell gehandhabt wird.
Falls der administrative Aufwand unbequem wird, können die Verlage/Verwerter die Auskunftsverlangen mittels Gemeinsamer Vergütungsregeln oder Tarifvertrag und entsprechenden Verträgen mit den Kreativen ausgestalten. Über die Geltendmachung von Auskunftsverlangen kann also auf die Verhandlungsbereitschaft der Vertragspartner und deren Lizenznehmer eingewirkt werden. Deswegen: Animiert KollegInnen, ebenfalls jährlich vom Recht Gebrauch zu machen.
I. Was ist neu?
2. Recht zur anderweitigen Nutzung
Mit § 40a UrhG schafft der Gesetzgeber ein „Recht zur anderweitigen Verwertung nach zehn Jahren bei pauschaler Vergütung“. Wer für die Einräumung eines ausschließlichen Nutzungsrechts pauschal vergütet wird, der/die kann jetzt nach zehn Jahren über das Recht als einfaches Nutzungsrecht erneut verfügen. Der bisherige Vertragspartner behält seinerseits ein einfaches Nutzungsrecht. Klar ist dabei, dass der Anspruch auf angemessene Vergütung weiterhin bestehen bleibt. Mit dem neu geschaffenen Recht sollen kürzere Vertragslaufzeiten erreicht werden.
II. Was ist zu tun?
Eine seltsame Norm – zu der einem/einer eigentlich kein Bereich einfällt, in dem der/die Urheber/in hiervon profitiert: Entweder sind die typischen Nutzungszeiträume kürzer als zehn Jahre (z.B. Journalismus), es wird ohnehin nutzungsbezogen vergütet (z.B. Belletristik) oder es gibt eine Ausnahmeregelung (z.B. Film). Außerdem ist die Wirtschaftlichkeit eines einfachen Nutzungsrechts sehr eingeschränkt. Deswegen: - Lasst Euch auch weiterhin nach Möglichkeit nicht pauschal abspeisen! - Informiert ver.di über sich verändernde Verträge bzw. AGB.
Was ist neu?
3. „Verbandsklage“
Die Regelung in § 36b UrhG ist laut Gesetzesbegründung zwar „kein Verbandsklagerecht“, jedoch kann ein Urheberverband einen Werknutzer verklagen, falls dieser zum Nachteil des Urhebers von GVR abweicht.
II Was ist zu tun?
Verbandsklage - eigentlich ein gewerkschaftlicher Traum. Aber leider ist der Anwendungsbereich dieser Klagemöglichkeit sehr, sehr eng. Verklagt werden kann nur der Werknutzer, der die GVR selbst aufgestellt hat oder Mitglied in einem Verband ist, der das getan hat. Andere Werknutzer können nicht in Anspruch genommen werden. Der BDZV (Zeitungsverleger) hat die Regelung prompt als Anlass genommen, die gemeinsam mit ihnen aufgestellten GVR Ende Februar aufzukündigen. Deswegen: - Lasst Euch auch weiterhin nach Möglichkeit nicht pauschal abspeisen! - Vermerkt, welche Werke wo genutzt werden (können) und nachfragen. - Informiert ver.di über Verstöße gegen GVR.
Fazit: Der Gesetzgeber hat mit der Reform des Urhebervertragsrechts Ansprüche auf Auskunft und Rechnungslegung geschaffen, die dem/der Einzelnen die Überprüfung der gezahlten Vergütung erleichtert. Wenn „alle“ von diesem Recht Gebrauch machen, schützt das die Kollegen als Einzelne. Wenn „alle“ von diesem Recht Gebrauch machen, kann das dazu führen, dass die Verwerter diese Rechte mittels GVR und/oder TV ausgestalten wollen. Falls man GVR aufgestellt bekommt, erhöht die Verbandsklage die Wahrscheinlichkeit, dass diese dann auch eingehalten werden.
Außerdem gibt es hier eine Art Streitgespräch zu der vom BDZV ausgesprochenen Kündigung der Gemeinsamen Vergütungsregeln (GVR) Ein Autor hat auf kress.de verschiedenen Anfragen beim BDZV und Journalisten-Organisationen, so auch bei uns, gegenübergestellt.
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