Postdienste

Paketflut für die Beschäftigten

Lockdown vor Weihnachten
17.12.2020
Lockdown vor Weihnachten Paketflut für die Beschäftigten


Corona - Weihnachten - Lockdown: Die Paketdienstleister feiern Rekorde um Rekorde, immer mehr Pakete werden versandt und zugestellt. Wie sich dies auf die Beschäftigten in der Branche auswirkt und worauf es zwischen den Paketbergen ankommt.

Auf den Straßen und in der Berichterstattung sind sie unübersehbar - die Pakettransporte und Zusteller*innen. Während sich die Arbeitgeber in der Paketbranche wegen immer neuer Rekorde die Hände reiben, arbeiten die Beschäftigten an der Belastungsgrenze, um die Paketberge zu bewältigen. 

Am 16.12.2020 tritt der bundesweite Lockdown mit der Schließung eines großen Teils des Einzelhandels in Kraft. In einzelnen Regionen und Bundesländern wie Sachsen ist der Lockdown schon früher beschlossen worden. Stiegen die Paketvolumen bereits im ersten Lockdown um rund 40 Prozent zum Vergleichszeitraum des Vorjahres, dürften auf die Paketbot*innen und die vorgelagerten Tätigkeiten nun wieder große Paketzahlen zukommen. Schon nach dem ersten Adventssonntag verzeichnete DHL beispielsweise einen Anstieg von rund 20 Prozent zum letzten Jahr. 

Durch das Infektionsrisiko stiegen viele Kund*innen bereits vor dem Lockdown auf Onlinebestellungen um; dies dürfte sich nun durch die Ladenschließungen verstärken. 

Die Post verkündete bereits, in der zweiten Dezemberwoche so viele Pakete wie noch nie zuvor bearbeitet zu haben: 56 Millionen Pakete wurden von den Beschäftigten sortiert und zugestellt. Das sind rund 11 Millionen pro Tag - mehr als doppelt so viel wie üblich (5,4 Mio). 

Die Auswirkungen auf die Beschäftigten sind enorm

In großen Teilen beginnen die Schichten in mehreren Wellen, so begegnen sich weniger Beschäftigte an den Knotenpunkten. Das bedeutet auch: Arbeiten bis spätabends, Umstellungen in der Kinderbetreuung, mangelnde ÖPNV-Möglichkeiten und Konsequenzen für Familien- und Privatleben. Wer bis zu später Stunde im Dienst ist, hat weniger Zeit für Kinder und das eigene Sozialleben.

Insgesamt wurden etwa 30.000 Menschen als zusätzliche Aushilfen bei den Paketdienstleistern eingestellt, um die Paketmengen zu entzerren. Zum Teil boten die Arbeitgeber massive Anreize wie Zuschläge, um Aushilfen für sich gewinnen zu können. Doch an einigen Stellen zeigt sich bereits jetzt, dass die Kapazitätsgrenzen erreicht wurden. Ein Betriebsrat berichtet, dass bereits in der zweiten Dezemberwoche alle Möglichkeiten ausgereizt sind und die Kolleg*innen nun Überstunden machen. 

Der Druck auf die Beschäftigten ist folglich massiv.

Befristungen

Verstärkt wird dieser Druck, indem die Arbeitgeber vielfach lediglich befristete Arbeitsplätze anbieten - wenn sich die Person 'bewährt', könnte das Arbeitsverhältnis in eine unbefristete Anstellung übergehen. Durch diese Bedingungen kann der Stress, die Paketmassen zu bewältigen, noch zusätzlich wachsen. 

Befristungen sind keineswegs ein Einzelfall. Allein bei der Deutschen Post AG waren bereits vor dem Starkverkehr (rund um die Weihnachtszeit) etwa 20.000 Menschen nur befristet beschäftigt. Viele davon sachgrundlos - obwohl es der DP AG wirtschaftlich gut geht. 

Doch auch die Sachgrundbefristungen müssen genauer betrachtet werden: Bekannt wurde das Beispiel einer Zustellerin, die mit über 80 (!) verschiedenen Befristungen über mehrere Jahre unter "Kettenbefristungen" litt. 

Überstunden

Die Zustellbasen und die Transporter platzen aus allen Nähten; einen halb vollen Transporter an die nächste Schicht übergeben oder damit zurück zur Basis fahren, kommt für viele nicht in Frage, aus unterschiedlichen Gründen. Was also tun, wenn plötzlich doppelt so viele Pakete zuzustellen sind als sonst: Arbeiten, bis das Auto leer ist, auch wenn dies innerhalb der Arbeitszeit nicht zu schaffen ist. 

Hier sind starke Betriebsräte hilfreich. Sie können sich einen Überblick über geleistete Überstunden machen und hier für Abhilfe sorgen. Doch auch sie stehen oft unter Druck durch den Arbeitgeber: Beim sogenannte Union Busting durch Unternehmen werden Belegschaften gespalten und die Mitbestimmung geschwächt. Was du dagegen tun kannst, erfährst du hier

Subunternehmen und Soloselbstständigkeit

Besonders für Beschäftigte bei Subunternehmen oder gar Soloselbstständige können sich die Arbeitsbedingungen nochmals verschärfen. Subunternehmen sind nicht an etwaige Tarifverträge der auftragerteilenden Unternehmen gebunden, dieser Schutz und diese Absicherung fällt für die Menschen bei Subunternehmen folglich weg. 

Soloselbstständige wie z.B. Menschen, die mittels Amazon Flex Pakete zu Endkund*innen bringen, fallen oft aus dem Geltungsbereich vieler Schutzgesetze. So gilt für sie z.B. das Arbeitszeitgesetz, das eine Höchstdauer des Arbeitseinsatzes von 10 Stunden am Tag zulässt, nicht. 

Hier braucht es klare, politische Entscheidungen, die Werkverträge zum Schutz der beschäftigten Menschen einzuschränken - in der Fleischindustrie ist hier ein erster Schritt gemacht, nun muss dieser auch für die Paketbranche gelten.

Entgrenzte Arbeitszeit

Die Paketbot*innen und die Beschäftigten in den Sortierzentren arbeiten durch die Pandemie vielerorts in mehreren "Wellen", das heißt ihre Schichten beginnen zu unterschiedlichen Zeiten, siehe oben. Dies entzerrt zwar die Begegnungen zu den Kolleg*innen, schlägt sich aber auch auf die gesamte Lebenswelt der Menschen nieder - Familienzeit, Hobbies, zu pflegende Angehörige, Kinderbetreuung... 

Zudem arbeiten sie auch am Samstag, was einige Unternehmen erst durch die Pandemie eingesetzt haben. 

In Bayern wurde den Kolleg*innen letztendlich auch der freie Sonntag genommen. Dort ist die Zustellung am Sonntag nun in der Vorweihnachtszeit ausnahmsweise erlaubt - auch wenn die Beschäftigten dringend eine Pause brauchen können und der arbeitsfreie Sonntag einem verfassungsrechtlichen Schutz untersteht. 

Was hilft

Du als Beschäftigte*r in der Paketbranche kannst etwas tun:

  • Arbeitszeit genau dokumentieren. Generell gilt: Die Arbeitszeit der Schicht gilt, nicht das Paketvolumen - wenn deine Schicht zuende ist, endet dein Arbeitstag.
  • Herausfinden, ob es einen Betriebsrat gibt
  • Deine zuständige Gewerkschaft ver.di
    • unterstützt und berät bei arbeitsrechtlichen Fragen - zur Not vertritt sie dich vor Gericht
    • unterstützt dich bei Fragen zu Tarifverträgen
    • unterstützt und berät dich, wenn du einen Betriebsrat gründen und künftig auf Augenhöhe mit dem Arbeitgeber verhandeln willst

Du hast konkrete Fragen? Wende dich an dein ver.di-Team vor Ort! ver.di ist auch im Lockdown für dich da und erreichbar.